Der erste Prager „Wolkenkratzer“ und seine Umgebung
Standort: am Rande des W.-Churchill-Platzes aus der Sicht der Seifert-Straße (Seifertova ulice)
Das Gebäude des Allgemeinen Pensionsinstituts (Všeobecný pensijní ústav), des späteren Hauses der Gewerkschaftsverbände, heute des Hauses Radost (seit dem Jahre 2019) ist das erste Prager Hochhaus (52 m) und ein bedeutendes, funktionalistisches Bauwerk auf dem Winston-Churchill-Platz (náměstí Winstona Churchilla). Es wurde im Jahre 1934 an der Stelle des ehemaligen Gemeindegaswerkes nach einem Entwurf der jungen Architekten Karel Honzík und Josef Havlíček erbaut. Es zeichnet sich durch die Anwendung der neuesten zeitgenössischen städtebaulichen, dispositiven und technischen Verfahren aus. Das zentrale Bürogebäude auf dem Grundriss in Form eines Kreuzes (obwohl die städtischen Regulierunganforderungen seinerzeit einen Blockgrundriss verlangten) wird auf der Nordseite, in Richtung zur Seifert-Straße (Seifertova ulice), durch einen zweigeschossigen Geschäftsflügel und an der Südseite, zur Straße U Rajské zahrady (Zum Garten Eden), durch einen dreigeschossigen Wohnflügel ergänzt. Die Hauptfassade ist dem Bereich des Winston-Churchill-Platzes zugewandt. Zugleich verfügt das Gebäude über ein zu dreigeschossiges Souterrain. Die Flügel des Büroteils sind nach den Himmelsrichtungen orientiert, der Nord-Süd-Trakt hat eine Länge von 82 Metern und erreicht eine Höhe von 11 Stockwerken. Der sechsgeschossige Ost-West-Flügel ist 92 m lang. Das Objekt besteht aus einer Stahlbetonkonstruktion mit Ziegelmauerwerk als Füllung, ist als Modulbau eines Systems grundlegender Büroeinheiten der Abmessung 6,5x3,4 Meter konzipiert, wobei die Breite der Büroeinheit auch die Breite des standardisierten (genormten) Fensters ist. Die Fassaden sind mit den ursprünglichen keramischen gelbweißen, glasierten Tafeln der Firma RAKO verkleidet. Für die Einfriedungsmauern der Höfe auf der östlichen und westlichen Seite des Gebäudes wurden hellblaue Fliesen verwendet. An die Betreuung der Mitarbeiter des Instituts wurden in den oberen Stockwerken gedacht. Im siebenten Stock befanden sich Arztpraxen und eine Bibliothek, im zehnten Stock die Direktion des Instituts und die Sitzungsräume. Der elfte Stock beherbergte neben dem Maschinenraum der Aufzüge Erholungsräume für die Mitarbeiter, Duschen und Umkleideräume. Der Erholung waren auch zwei geflieste Dachterrassen mit einem faszinierenden Ausblick auf die Stadt vorbehalten. In der Ausstattung fehlte selbst eine Klimaanlage nicht. Die Gesamtkosten für den Bau beliefen sich auf 64 Millionen Kronen. Während der Baurealisierung wurden bei den Aushubarbeiten in den Fundamenten des ehemaligen Gaswerkes Reste des sog. Krocín-Brunnens entdeckt, eines außerordentlichen Werkes der Renaissance, das einst den Altstädter Ring zierte (deponiert im Lapidarium des Nationalmuseums). Im Jahre 1951 wurde durch Parteibeschluss das gesamte damalige Rentensystem administrativ den tschechoslowakischen Gewerkschaften zugeteilt, seitdem diente das Gebäude zunächst dem Zentralrat der Gewerkschaften, später der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung und zuletzt der Böhmisch-mährischen Konföderation der Gewerkschaftsverbände. Im Jahre 2018 wurde das Haus an die Gesellschaft Dům Žižkov a.s. verkauft.
Der Winston-Churchill-Platz (náměstí Winstona Churchilla) ist nach dem bedeutenden britischen Staatmann Winston Churchill benannt. Er entstand durch die Rekultivierung eines Teils der Grundstücke des einstigen Gemeindegaswerkes in Žižkov nach der Errichtung des Gebäudes des Allgemeinen Pensionsinstituts im Jahre 1934 und erhielt den Namen „U Pensijního ústavu“ (Beim Pensionsinstitut). Ab dem Jahre 1955 trug er den Namen des Industrieministers Gustav Kliment. Da der Präsident der ČSSR Antonín Zápotocký seit dem Jahre 1945 auch Vorsitzender des Zentralrats der Gewerkschaften war, erhielt der Platz im Jahre 1977 seinen Namen, indem die Mitte des Platzes seine Skulptur von Professor Jan Simota zierte. Seit dem Jahre 1990 trägt der Platz die derzeitige Bezeichnung, indem hier im Jahre 1999 die Winston-Churchill-Statue in Anwesenheit seines Enkels und der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher enthüllt wurde, die bei dieser Gelegenheit das Žižkover Rathaus besuchte. Die Statue ist mit der Statue Winston Churchills auf dem Parliament Square in London identisch, sie ist das Werk desselben Autors Ivory Roberts-Jones, der ein großer Bewunderer der Stadt Prag und ihrer Kunst war. Für Žižkov entwarf er eine völlig neue Statue. Er verstarb jedoch im Jahre 1996 im Alter von 83 Jahren, wobei vom neuen Werk lediglich das aus Ton gefertigte Modell des Kopfes des Staatsmannes bleib, dessen Abguss nunmehr das Interieur des Žižkover Rathauses ziert.
Der Platz schließt von Norden her das funktionalistische Bauwerk der Wirtschaftsuniversität aus dem Jahre 1935 ein, errichtet nach einem Projekt der Architekten Vratislav Lhota und Ing. Mečislav Petrů.