Oberes Žižkov
Standort: Škroupovo náměstí (František-Škroup-Platz), kleiner Park
Die allgemein gebräuchliche Bezeichnung „oberes“ Žižkov bezieht sich auf jene Lokalität, deren imaginärer Mittelpunkt der František-Škroup-Platz (Škroupovo náměstí) ist, und die den Übergang zwischen dem typischen alten Žižkov und Vinohrady (Weingärten) darstellt. Der Platz befindet sich östlich des František-Rieger-Parks (Riegrovy sady) und ist ein außerordentliches und interessantes Beispiel eines bewohnten Platzes runder Gestalt, mit Sichtkontakt zum Georg-von-Podiebrad-Platz (náměstí Jiřího z Poděbrad) mit seiner Dominante, der Herz-Jesu-Kirche. Er trägt den Namen des tschechischen Komponisten František Škroup, der Autors der Melodie des Liedes „Kde domov můj“ (Wo ist mein Heim, mein Vaterland?), der späteren tschechoslowakischen und tschechischen Nationalhymne. Der Ort besteht aus einer Art Hochebene, die sich von der Straße Kubelíkova nach Süden erstreckt. In der Umgebung des Platzes entwickelte sich eine für das Stadtviertel Vinohrady (Weinberge) typische Bebauung in Gestalt modernerer und großzügigerer, regelmäßig abgegrenzter Blöcke, die ebenso aus moderneren und qualitativ besseren Wohnhäusern bestanden. Der Innenblock ist ein charakteristisch regelmäßiger, für alle Häuser gemeinschaftlicher, in der Regel unbebauter Bereich mit stellenweise gezielt angelegten Grünanlagen und hochgewachsener Bepflanzung. Das von der Qualität her sehr ansprechende Residenzmilieu wird durch das Flair der Straßen mit Baumreihen zusätzlich hervorgehoben.
Der Platz erlangte einen gewissen Bekanntheitsgrad in Verbindung mit der ersten, offiziell erlaubten Manifestation oppositioneller Gruppierungen, die am 10. Dezember 1988 stattfand. Auf diesen Tag fiel der 40. Jahrestag der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Das Ersuchen um Genehmigung der Demonstration wurde von fünf Bürgervereinigungen eingereicht: durch die Charta 77, den Ausschuss für die Verteidigung der ungerecht Verfolgten, die Tschechischen Kinder, die Bewegung für die Freiheit der Bürger und die Unabhängige Friedensvereinigung. Ihr ursprünglicher Antrag, die Manifestation auf dem Wenzelsplatz zu veranstalten, wurde seitens des Stadtbezirks-Nationalausschusses Prag 1 abgelehnt, allerdings wurde sie anschließend durch den Stadtbezirks-Nationalausschuss Prag 3 auf dem Škroup-Platz (Škroupovo náměstí) genehmigt. Es handelte sich um einen durch das Ausland erzwungenen Schritt. Am 8. und 9. Dezember weilte in Prag zu einem Besuch der französische Präsident Franҫois Mitterrand, der Václav Havel und sieben weitere Dissidenten zu einem gemeinsamen Frühstück in die französische Botschaft auf dem Großprior-Platz (Velkopřevorské náměstí) einlud, wo sie am Vorabend der Versammlung auf dem Škroup-Platz (Škroupovo náměstí) über den Stand der Einhaltung der Menschenrechte in der Tschechoslowakei diskutierten. Die Kundgebung am 10. Dezember wurde um 15 Uhr mit der tschechoslowakischen Nationalhymne eröffnet. Anschließend traten die Redner auf, unter anderem Václav Havel, der die Forderung nach Freilassung der politischen Gefangenen aussprach, Rudolf Battěk, der zur Beendigung des Herrschaftsmonopols der Kommunistischen Partei aufrief, Petr Placák und andere. Etwa siebenhundert Teilnehmer unterzeichneten eine Petition mit dem Aufruf an das Regime, die politischen Gefangenen freizulassen. Bei der Manifestation waren Einsatzkräfte der Öffentlichen Sicherheit (Polizei) und der Volksmilizen zugegen, wobei Mitarbeiter der Staatssicherheit die Anwesenden mit Kameras filmten. Die Demonstration endete ungefähr um halb fünf, ohne dass es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kam. An diese Aktion knüpften die sog. Palach-Woche im Januar 1989 und eine Serie von Protestversammlungen an, die im November 1989 das Ende des totalitären Regimes in der Tschechoslowakei einleiteten. An das Ereignis erinnert auf dem Platz eine Gedenktafel an der rechten Ecke des Hauses in Richtung der Straße Blodkova, Haus Nr. 1255/9.