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Die Anfänge Žižkovs

Das Gebiet vor der östlichen Prager Stadtmauer hatte über Jahr­hunderte den Charakter einer landwirtschaftlichen Landschaft mit vereinzelten Gehöften, die ab den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts einen markanten Verwandlungsprozess durchlief. An den Orten der einstigen Felder und Weingärten entstanden zunehmend weitere, später die größten Prager Vorstädte. Im Abschnitt entlang der Wiener Str­aße zwischen dem Veitsberg (Žižkov) und dem Hl.- Kreuzberg geschah dies nach einem wohldurchdachten Bau- und Straßenplan, dessen Autor der Bauunternehmer Karel Hartig war. Der spätere erste Žižkover Bürgermeister war somit einer der Hauptini­tiatoren der des neuen Bauvorhabens. Die Gestalt des Plans wurde allerdings wegen seines geringen fachlichen Niveaus kri­tisiert, wobei im Gegenteil großer Wert auf die Rentabilität der neuen Häuser gelegt wurde. Es handelte sich insbesondere um das billige Wohnen für die überaus zahlreichen Arbeiter, die in Scharen in die Prager Vorstädte zogen, um ihren Lebensunterhalt in den sich rasch entwickelnden Fa­briken zu verdienen.

Auf den verhältnismäßig billigen Baugrundstücken in hügeligem Ge­lände wuchsen binnen kurzer Zeit zahlreiche Häuser empor. Sie zeich­neten sich durch das klare Bemühen der Bauherren aus, in ihnen einfache Wohnungen für eine erhebliche Anzahl von Mietern zu schaffen, deren Ansprüche an das Wohnen nicht allzu hoch waren und auch nicht sein konnten. Einen sehr geeigneten Häusertyp für ein solches Bauprojekt stellte das sog. Pawlatschenhaus dar – und in Žižkov wurden sehr viele von ihnen erbaut. Auch wenn es sich nicht um ein rein Žižkover Phänomen handelte – Pawlatschenhäuser finden wir auch in an­deren Vierteln und Städten, jedoch selten stellen sie einen derart typischen lo­kalen Charakterzug wie in Žižkov dar. Die Pawlatschenhäuser hatten zumeist einen Grundriss in L-Form, wobei die kürzere Seite zur Straße zeigte und meistens die Gestalt von zweieinhalb Trakten hatte. Die Durchfahrt führte in den Hof und zur Treppe. In die Wohnungen gelangte man vom offenen Gang auf der Hofseite, der sog. Pawlatsche, meistens geradewegs in die Küche, hinter welcher sich ein zweiter, als Schlafzimmer dienender Raum mit zur Straßen weisenden Fenstern befand. Zwei Zimmer, das war der Standard der Pawlatschenhäuser für eine Familie. Sofern sich die Wohnung im Seitenflügel befand, waren beide Zimmer in den Hof gerichtet und ihre Fenster führten auf die Pawlatsche. Komfortablere Wohnungen hat­ten eine Speisekammer sowie eine vorbehaltenen Raum im Keller für das Lagern der Kohle. In Krisenzeiten schränkten sich die Mieter häufig ein und vermieteten selbst noch einen Teil der Wohnung.

Die Pawlatschenhäuser waren zugleich ein Ort eines vielfältigen gesellschaftlichen Lebens. Die kleinen Wohnungen ermöglichten es den Mietern nicht, ihre Privatsphäre zu schützen, und so fanden die meisten Veranstaltungen – Hochzeiten, verschiedene Feierlichkeiten oder Versammlungen – mit Unterstützung und Hilfe der Nachbarn öffentlich statt. Zeitzeugen und Zeitzeuginnen erinnern sich, dass der Weg vom Hof in die Wohnung häufig auch eine halbe Stunde dauerte, da sie unterwegs oft stehen blieben und sich in eine Gespräch mit den gut sichtbaren Nachbarn verstrickten. Der volksnahe denkende Karel Hartig hatte wesentlichen Anteil an einer Initiative, die zur Benennung des neuen Standortes mit der Bezeichnung Žižkov führte.

Dies geschah im Jahre 1868, ein Jahr später wurde die neue Bezeichnung bereits benutzt, wobei sie der Gemeindeausschuss der Königlichen Weingärten (Královské Vinohrady) im Mai 1869 anstelle der bis dahin gebräuchlichen Benennung An der Wiener Straße (Na vídeňské silnici) genehmigte. Ab dem Jahre 1849 bis zum Jahre 1875 existierte nämlich auf dem gesamten Vorfeld Prags die Vorstadtgemeinde Vinohrady (Weingärten), welche ab dem Jahre 1867 die erhabene Bezeichnung Královské Vinohrady (Königliche Weingärten) trug, und die zugleich neben den heutigen Weingärten auch Žižkov umfasste.
Das Jahr 1875 brachte die Teilung der Königlichen Weingärten in zwei eigenständige Gemeinden – die Gemeinde Královské Vinohrady (Königliche Weingärten) I, die dann im Jahre 1877 auf der Grundlage einer Entscheidung des k.u.k. Innenministeriums in Žižkov umbenannt wurde, und die Gemeinde Vinohrady II, wie wir sie heute kennen. Im Jahre 1881 fand der Prozess der Emanzipation des neuen Sitzes seinen Höhepunkt, indem der Kaiser Žižkov am 15. Mai in den Rang einer Stadt erhob und ihr siebzehn Jahre später auch das Stadtwappen verlieh.  

Die zweite Hälfte des „langen“ 19. Jahrhunderts bedeutete für die Gegend zwischen dem Veitsberg und dem Hl.- Kreuzberg eine grundlegende Umwandlung. Hier erfolgte die Entwicklung von einem ländlichen Standort mit mehreren Dutzend Einwohnern zu einer sto­lzen, eigenständigen Stadt mit mehr als sechstausend Einwohnern zur Neige des 19. Jahrhunderts. Die Stadt Žižkov war somit die drittgrößte Sta­dt im Königreich Böhmen. Im Jahre 1922 wurde sie Bestandteil von Groß-Prag.

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